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Tubize empfängt Korntal-Münchingen mit offenen Armen


Die Besucher kamen nicht unvorbereitet. Eine ganze Liste an Fragen brachten sie mit. Fragen über die großen Stadtentwicklungsprojekte der Partnerstadt Tubize. Die Stadt baut unter anderem im Quartier Confluants auf 160 Ha momentan 3.500 Wohneinheiten. „Wie habt Ihr die Bürgerbeteiligung gestaltet?“ „Welche Infrastruktur habt Ihr für die neuen Einwohner vorgesehen?“ Und vor allem: „Wie finanziert Ihr das Ganze?“ Anlässlich einer Städtepartnerschafts-Tagung nutzten die Mitglieder des Gemeinderates und der Verwaltung Korntal-Münchingen die Chance sich mit Monsieur le Bourgmestre Michel Januth im Rathaus von Tubize austauschen. „Seit fast 60 Jahren besteht unsere Städtepartnerschaft – noch nie haben wir Besuch von einem Gemeinderat bekommen“, freute sich Michel Januth.

Tubize hat eine rosige Zukunft – das war nicht immer so

Bei der Begrüßung am Samstagmorgen in der „Mairie“ in Tubize präsentierte er das Gestern, das Heute und das Morgen seiner Stadt. „Seit 1751 basierte unser Wohlstand auf der Industrie“, erzählte er. Als Ende der neunziger Jahre die Grundpfeiler der Kommune mit der Lokomotiv- und Stahlproduktion sowie der Herstellung von Kunstseide eingestellt wurde, stellte sich die Frage, was mit dem riesigen Industriegelände passieren sollte. Und wie die vielen Arbeitslosen wieder Geld verdienen konnten. „Durch die jahrelange Nutzung für Schwerindustrie und Schmiede war der Boden verseucht“, berichtete Monsieur le Bourgmestre. An Landwirtschaft brauchte man also nicht zu denken. Zur „Entgiftung“ wurde ein privates Unternehmen unter strenger Aufsicht der Behörden verpflichtet. „Nach acht Jahren waren 2020 rund 90 Prozent der Flächen dekontaminiert“, resümierte Michel Januth. Statt Hochofen und einer Eisenschmiede lag nun eine riesige Grünfläche am Rande des Stadtteils Clabecqs. Was nun?

Nach der Dekontamination: 160 Ha Grünfläche stand 2020 leer

Die leerstehende grünen Fläche des ehemaligen Industriegebietes auf der einen Seite und ein starker Bevölkerungsanstieg auf der anderen Seite: Das war die Ausgangslage mit der Michel Januth in die Stadtplanung einstieg. „Wir haben jedes Jahr 1.000 neue Einwohnerinnen und Einwohner.“ Für sie mussten neue Wohngebäude samt Infrastruktur geschaffen. Da bot sich das Gebiet der alten Schmiede förmlich auf dem „Tablett“ an.

Die Bevölkerung entwickelte in 11 Arbeitsgruppen einen Masterplan zum neuen Stadtgebiet

„Wie reagierte die Bevölkerung auf Ihre Baupläne? Gab es Ängste, Befürchtungen oder wurden vielmehr die Chancen gesehen?“, wollten die Gemeinderäte von den kommunalen Vertretern der belgischen Partnerstadt wissen. Ja, die Lage war nicht einfach – so gab Michel Januth unumwunden zu. „Doch wir haben die Bürgerinnen und Bürger von Anfang an mitgenommen“, erzählte er. Von 2006 bis 2013 hätten elf Arbeitsgruppen einen Masterplan entwickelt. „Dieser Masterplan wurde einstimmig vom Gemeinderat verabschiedet.“ Einer der Schwerpunkte dieses Plans war es Tubize „breit“ aufzustellen. Wohnungen, Dienstleistungen, Gewerbe, Freizeitmöglichkeiten – all dies sollte es im neuen Wohnquartier Les Confluants quasi unter „einem Dach“ geben.

Das Quartier Confluants bietet 3.500 neue Wohneinheiten, 20 Ha Gewerbegebiet und 20 Ha Grünfläche

Doch statt langer Worte führten die belgischen Stadtvertreter die Korntal-Münchinger im Bus quer durch die vier Ortsteile: Tubize, Clabecq, Oisquercq und Saintes. Die Vielfalt der Bauprojekte brachte den einen oder anderen Businsassen ins Staunen. „Am Beeindruckendsten war für mich was für große Projekte die Stadt Tubize angeht, wie sie die Investoren finden und welche Massen da bewegt werden“, sagte Gemeinderat Paul Blank. Eine große Brücke über den Kanal, ein neuer Bahnübergang zur Entlastung des Verkehrsknotenpunktes und ein Europa-Park mit einer Senioren-Residenz und vielen Bäumen als Ausflugsziel für die Tubizer sind teilweise nicht nur geplant – sondern schon in den Grundzügen erkennbar.

Eine riesige Outlet-Mall für Einwohner und Besucher aus der Region

Beim Gang über das „Quartier les Confluants“, das im September 2024 fertiggestellt werden soll, konnte schon ein Blick in die zukünftigen Verkaufsräume der Outlet-Mall geworfen werden. Mit dem neuen Shopping-Angebot wird Tubize nicht nur die eigene Bürgerschaft mit Angeboten locken. Mit der günstigen Verkehrslage zur Europa-Stadt Brüssel zieht die Outlet-Mall auch Einkäufer aus der ganzen Region Wallonisch-Brabant an – so der Plan der Stadtverwaltung. „Wenn man bedenkt, dass wir in Korntal-Münchingen uns um 20 Ha den Kopf zerbrechen, während hier ‚geschwind‘ 160 Ha verplant werden, dann sind das schon andere Dimensionen“, staunte Gemeinderat Ralf Schmid.

Mit neuen Ideen zurück nach Korntal-Münchingen

Nach der Baustellenführung stiegen die Korntal-Münchinger nicht nur mit nassen Schuhen und Socken wegen der vielen matschigen Bau-Pfützen in ihren Bus. Auch neue Ideen schienen sich zu entwickeln.

„Es ist spannend zu erfahren, wie es der Stadt gelingt ihre Infrastruktur-Probleme in den Griff zu bekommen und die Stadt zu einem gewissen Wohlstand zu führen“, sagte Gemeinderat Oliver Nauth. Den Fragekatalog konnten die Vertreter der Stadt Korntal-Münchingen dann am Sonntagmorgen im Rathaus mit den Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates von Tubize durchgehen. Umso herzlicher fiel die anschließende Verabschiedung aus.

„Unsere Erwartungen an diese Städtepartnerschaftstagung sind weit übertroffen worden“, fasste Bürgermeister Dr. Joachim Wolf zusammen. „Wir wurden nicht nur mit offenen Armen empfangen, sondern wir sind auch dankbar für die vielen Anregungen und Ideen, die wir mit nach Korntal-Münchingen nehmen.“