Flüchtlingslager: Die Probleme werden nicht weniger, sie sind nur weniger präsent
Seit Montag, den 02. Mai 2022 ist auf dem Saalplatz in Korntal die Foto-Ausstellung von Alea Horst über das Flüchtlingslager Moria auf Lesbos zu betrachten. Die Integrationsmanagerin der Stadt Korntal-Münchingen Birgit Wagner hat sich dafür eingesetzt, dass die Wander-Ausstellung auch hier in Korntal-Münchingen Halt macht. Sie war als ehrenamtliche Helferin selbst in verschiedenen Flüchtlingslagern vor Ort. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen und die Ausstellung.
Frau Wagner, Sie waren schon selbst in Flüchtlingslagern vor Ort. Was findet man dort vor?
Birgit Wagner: „Zunächst möchte ich anmerken, dass ich nicht im Flüchtlingslager Moria speziell gewesen bin, sondern die Fotografin Alea Horst. Ich war aber schon in einigen anderen Lagern und kann Ihnen von meinen Erfahrungen dort vor Ort berichten. Die Lager ähneln sich äußerlich sehr, egal wo sie sind und die Umstände vor Ort sind meistens ziemlich prekär. Moria hat vor allem Aufmerksamkeit bekommen, da es sich in Europa befindet. Die Lager außerhalb von Europa haben oft nicht die gleiche Präsenz in den Medien. Doch auch dort gibt es viele Bedingungen, die aus unserer Sicht schlicht menschenunwürdig sind.“
Wie haben Sie die Situation in den Lagern erlebt?
Birgit Wagner: „Die Situation ist mehrheitlich bedrückend. Am schlimmsten ist die Perspektivlosigkeit der Geflüchteten. Dies verschärft sich, je länger Menschen in den Lagern feststecken und vielfach sind sie dort ja auf unbestimmte Zeit. In den Lagern herrscht große Eintönigkeit: Es gibt wenig soziale Angebote, vor allem für Kinder. Vielfach gibt es Bildungsangebote, aber meistens nicht ausreichend. Häufig werden sie von Ehrenamtlichen angeboten, die nicht über ausreichend personelle und finanzielle Ressourcen verfügen.“
Warum haben Sie sich nun entschieden diese Ausstellung hier zu machen?
Birgit Wagner: „Uns war es wichtig mit der Ausstellung sehr präsent zu sein in Korntal. Der Saalplatz ist hierfür gut geeignet, weil er stark frequentiert wird. Es war uns wichtig, den Menschen die Not von Flüchtlingen wieder ins Gedächtnis zu rufen. Die Präsenz in den Medien hat deutlich nachgelassen, die Probleme und Herausforderungen in den Lagern sind deswegen aber nicht weniger geworden. Viele Menschen sind seit Jahren in solchen Lagern untergebracht. Sicher hat Corona auch seinen Teil dazu beigetragen, dass wir vielfach mit anderen Problemen beschäftigt waren. Umso wichtiger ist es immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Flüchtlingslager nach wie vor ein drängendes Problem sind.“
Weshalb zeigen Sie die Ausstellung jetzt?
Birgit Wagner: „Die Ausstellung haben wir schon recht lange vor der jetzigen Situation in der Ukraine geplant, bereits letzten Herbst. Jetzt mussten wir überlegen: passt es noch? Wir haben momentan einen erheblichen Mehraufwand bei der Arbeit durch die rund 170 Ukrainer, die die letzten Wochen in Korntal angekommen sind. Wir haben uns trotzdem entschieden, die Ausstellung wie geplant durchzuführen, weil sich die Not von Flüchtlingen nicht gegeneinander ausspielen lässt. Die schlimme Situation in der Ukraine darf aber die Not in anderen Flüchtlingslagern nicht relativieren.“
Was möchten Sie mit der Ausstellung erreichen?
Birgit Wagner: „Ich stelle oft bei mir selbst und vielen Menschen fest, dass man oft schnell betroffen ist von sozialen Nöten. Aber man muss sich einer Thematik auch immer wieder aussetzen, um einen Umgang damit zu finden und auch selbst Ideen zu entwickeln, wie man nachhaltig helfen kann. Wir wünschen uns, dass Menschen neu wachgerüttelt werden und überlegen, wie ihr eigenes Engagement aussehen könnte.“
Die Ausstellung der Bilder der Fotografin Alea Horst ist noch bis Sonntag, den 15. Mai 2022 auf dem Saalplatz vor dem Rathaus Korntal zu sehen. Für weitere Fragen stehen Ihnen Birgit Wagner und das Team vom Integrationsmanagement gerne zur Verfügung (Birgit Wagner Telefon: 0711/8367-3235)