Nachricht

Anweisungen des Schulleiters des Gymnasiums Wilhelm Simpfendörfer vom 9.12.1945:

Der Kälteeinbruch zwingt zu Notmaßnahmen. Von morgen ab soll jeder Schüler jeden Tag ein Scheit trockenes Holz mitbringen. Das Holz wird von dem Klassenführer eingesammelt, der darüber eine Liste zu führen hat. Herr Olson wird das Holz in der großen Pause in den Klassen abholen. Bei mehreren Geschwistern müssen nicht mehr als zwei Stück abgeliefert werden. (Es folgen die Paraphen des Lehrerkollegiums)

 Stadtarchivar Alexander Brunotte berichtet über diesen Fund:

„Auf schlechtem Papier schrieb Wilhelm Simpfendörfer die oben genannten Zeilen im Winter 1945 in sein bis 1952 geführtes Schulleiter-Tagebuch. Sie gestatten uns einen ungefilterten Blick auf Zeitumstände zu werfen, die wir uns so kaum mehr vorstellen können. Der erste Winter nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war geprägt von Mangel. Es fehlte in Korntal sogar an Feuerholz für die Schule, sodass der Schulleiter zu solch einer Maßnahme greifen und Schülern die Abgabe von Heizmaterial auferlegen musste. Ein Zeitdokument wie dieses spricht unmittelbar zu uns, es macht Geschichte nicht nur rekonstruierbar, sondern bis zu einem gewissen Grad „erlebbar“. Archiven kommt die doppelte Aufgabe zu, historische Dokumente durch fachgerechte Verpackung und Lagerung physisch zu erhalten und sie durch eine inhaltliche Erschließung für die Nutzung durch die interessierte Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Hierzu zählt in diesem Fall eine Einordnung des Autors der Quelle: Wilhelm Simpfendörfer (1888-1973) stand dem Gymnasium von 1945 bis zu seiner Wahl in die Verfassunggebende Versammlung des Landes Baden-Württemberg 1952 vor. Im Rahmen der Stadterhebungsfeierlichkeiten 1958 wurde Wilhelm Simpfendörfer die Korntaler Ehrenbürgerwürde verliehen „in Anerkennung besonderer Verdienste um Schule und Gemeinde“.