Neues aus dem Stadtarchiv: Das Korntaler Notgeld wird 100 Jahre alt
Ein Fünf- und ein Zehn-Millionen-Mark-Schein aus der Sammlung des Stadtarchivs können ab dem 12. Septemer 2023 im Rathaus Korntal in der Vitrine im Foyer im 1. Obergeschoss besichtigt werden. Die Scheine sind dann auf den Tag genau 100 Jahre alt.
„Klaus Hilbert, ein passionierter Sammler Korntaler Relikte, machte uns auf ein Ereignis vor genau 100 Jahren aufmerksam.
Der Erste Weltkrieg und seine Folgen führten zu einer massiven Geldentwertung. 1923 erreichte sie ihren Höhepunkt und nahm groteske Züge an. Einheitlich in Deutschland kann man dies anhand des Portos erkennen. Am 1. Januar 1923 kostete der Briefversand (20 Gramm) 25 Mark, am Monatsende bereits 50 Mark. Im November 1923 waren es dann 80.000.000.000 Mark (80 Mrd.), die für eine Briefmarke sprichwörtlich hingeblättert mussten. Es befand sich eine Unmenge an Banknoten in Umlauf, deren Papierwert teilweise höher war als ihr Nennwert. Ein Tauschhandel oder die Ausbezahlung in Lebensmitteln erwies sich oft als vorteilhafter. So bat der Korntaler Schutzmann im August 1923 um eine Erhöhung seiner Ausrufgebühren. Er forderte dies aber nicht in Geldesform ein, sondern in ein bis drei Litern Milch. Dies entsprach zu diesem Zeitpunkt etwa 50 Mio. bis 150 Mio. Mark, was ihm der Gemeinderat bewilligte.
Die Gemeinde Korntal folgte dem Beispiel anderer Kommunen und gab zum 12. September 1923 ihr eigenes Notgeld heraus.
Gedruckt wurden die Scheine mit einem Wert von einer, fünf und zehn Millionen Mark. „Gegen diesen Notgeldschein vergüten wir, sowie die Kassen der Gemeindehandlung und des Gemeindegasthauses bis zum 31. Dezember 1923 den Betrag von Einer / Fünf / Zehn Millionen Papier-Mark in bar oder durch Bankschecks oder – bei Fortdauer der Bargeldnot – durch Ausgabe neuer Notgeldscheine.“, ist darauf zu lesen; unterzeichnet mit Faksimile-Unterschrift von Schultheiß Georg Würth.
Ein Reim auf der linken Seite des Scheins macht die Bevölkerung auf die harte Zeit aufmerksam und ist auf Korntal zugeschnitten:
„Das Vaterland in tiefer Not! /
Wer schafft uns Recht?
Wer gibt uns Brot? /
Der Väter Gott! Nur Er allein! /
Doch, Bürger, laßt uns einig sein; /
Die Zwietracht frißt am Lebensmark; /
Gebet und Arbeit macht uns stark!“
Um Kosten zu sparen, ist nur eine Seite der Scheine bedruckt worden.
Die galoppierende Inflation endete im November 1923 als die Rentenmark (ab 1924 Reichsmark) eingeführt wurde, die auf Grundschulden und Hypotheken gestützt war.
Zum Schluss lag der Wechselkurs bei 4.200.000.000.000 Mark (4,2 Bio.) für 1 US-Dollar. 1 Bio. Mark entsprachen nun 1 Rentenmark.
Die Korntaler Notgeldscheine wurden nach der Währungsumstellung teilweise noch als Notizzettel in der Gemeindeverwaltung verwendet."
Text: Andreas Walter, Stadtarchivar