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"Ein städtischer Haushalt ist immer ein Spiegelbild der Weltpolitik..." Haushaltsrede von Alexander Noak


Anlässlich der Öffentlichen Sitzung des Gemeinderates am 1.12.2022 hielt der Erste Beigeordnete Alexander Noak folgende Haushaltsrede:

Haushaltsrede von Alexander Noak als PDF

Seit bereits zwei Jahren betone ich in meinen Haushaltsreden, dass es in kaum einem anderen Jahr schwieriger war, ein belastbares und mit Blick auf die mittelfristige Finanzplanung, vertretbares Planwerk zu erstellen. Leider setzt sich dieser Trend auch in den Haushaltsplanberatungen für das Jahr 2023 fort und die Situation hat sich noch einmal verschärft.

Die Stadt Korntal-Münchingen befindet sich seit Herbst 2015 im Krisenbewältigungsmodus.

Damals reisten über eine Million Flüchtlinge nach Deutschland ein. Darauf folgte im Jahr 2020 die Corona-Pandemie mit nie dagewesenen Auswirkungen auf die Gesellschaft. Im Februar 2022 griff Russland die Ukraine an und löste damit eine zweite, noch größere Flüchtlingswelle aus, gefolgt von einer Energiemangellage und reellen Sicherheitsrisiken für die IT und die Versorgungsinfrastruktur. Diese Krisen werden überlagert von den weltweiten Auswirkungen des Klimawandels.

Ein städtischer Haushalt ist immer ein Spiegelbild der aktuellen weltpolitischen Geschehnisse sowie bundes- und landesweiter Entscheidungen.

Wirken sich eine florierende Wirtschaft und stabile Handelsbeziehungen positiv auf die Finanzkraft und das Leben in der Stadt aus, so leiden die Städte und Gemeinden gleichermaßen unter den Folgen von Krieg, Pandemie, und Klimaerwärmung.

„In großer Sorge um unser Land“. So lautete die Überschrift des offenen Briefes, mit dem sich die Vertreter der Kommunen, der Wirtschaft sowie der Sparkassen und Genossenschaftsbanken Anfang November an Herrn Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann gewandt haben. Das lässt aufhören und unweigerlich drängt sich die Frage auf:

Müssen wir uns ebenso große Sorgen um unsere Stadt machen?

Der Ergebnishaushalt weist weiterhin über den gesamten Finanzplanungszeitraum ein strukturelles Defizit aus. Im Planjahr 2023 liegt der Verlust bei rund 740 T€. Zumindest finanziert sich der laufende Betrieb zu diesem Zeitpunkt noch aus sich selbst heraus. Die Einzahlungen aus Steuern, Entgelten, Gebühren und Erstattungen reichen damit aus, um die Auszahlungen der laufenden Verwaltungstätigkeit und die Kredittilgung zu decken.

Für eine nachhaltige Finanzierung wäre es jedoch nötig, dass die Stadt aus dem laufenden Betrieb zusätzlich die Mittel erwirtschaftet, die sie benötigt um die Ausgaben des Investitionsprogramms mitzufinanzieren.

Dies gelingt aktuell nicht. Im Jahr 2023 ergibt sich aus der Investitionstätigkeit der Stadt ein saldierter Finanzbedarf in Höhe von rund 8 Mio. Euro. Dieser resultiert vor allem aus dem Beginn einer ganzen Reihe von Großbauprojekten und sonstigen Baumaßnahmen, bei denen die Baukostensteigerungen und die Materialknappheit gnadenlos zuschlagen. Zu erwähnen sind hier vor allem:

- der Neubau der Kinderbetreuungseinrichtung Korntal West mit Wohnen für Ältere und Stadtwohnungen

- der Neubau einer Multifunktionshalle in Münchingen

- die Neugestaltung des Ortskerns Münchingens

- die Ertüchtigung der Mobilitätsinfrastruktur am Bahnhof in Korntal

- die Herstellung der Barrierefreiheit für die Musikschule und die VHS

- die Einrichtung einer Tier- und Naturkita

- sowie Hochwasserschutz- und Straßenbaumaßnahmen

Die Kosten für die ersten Bauabschnitte können noch über Barvermögen finanziert werden, ohne dafür Kredite aufzunehmen.

In den Jahren 2024 bis 2026 verschärft sich die Lage aber deutlich.

In der mittelfristigen Finanzplanung wächst der jährliche Verlust auf bis zu 2,9 Mio. Euro an. Die Einnahmen des Ergebnishaushaltes reichen dann nicht mehr aus, um die laufenden Ausgaben zu decken. Dies liegt vor allem an den höheren Bewirtschaftungskosten und den steigenden Personalausgaben v.a. im Kinderbetreuungsbereich. Das Delta aus der laufenden Verwaltungstätigkeit muss über Rücklagen finanziert werden. Die Stadt lebt dann vom Ersparten. Die Finanzierung von Investitionsmaßnahmen erfolgt nach den Prognosen des derzeitigen Planes ab dem Jahr 2025 nur noch über Fremdkapital.

Investiv stehen mittelfristig beeindruckende 70 Mio. Euro auf dem Plan. Darin enthalten sind neben den bereits genannten Maßnahmen folgende Projekte:

- die Generalsanierung der Sporthalle Münchingen

- der innerstädtische Anschluss an die B10

- sowie der Neubau von weiteren Einrichtungen zur Unterbringung von Geflüchteten

Mit diesem Investitionsprogramm ist damit zu rechnen, dass der Schuldenstand bis zum Jahr 2027 um 17 Mio. Euro auf 21,6 Mio. Euro anwächst. Wir lägen dann bei einer Pro-Kopf-Verschuldung von rund 1.000 € pro Einwohner.

Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage lautet damit:

Eine der mit vielleicht größten Herausforderungen der Stadt in den nächsten Jahren, wird die Stabilisierung der Finanzkraft und die nachhaltige Stärkung des kommunalen Haushaltes.

Denn,die sich überlagernden Krisen und die Beschlüsse der übergeordneten Behörden fordern die Städte und Gemeinden auch zukünftig in einem ganz besonderen Maße.

Wir müssen deutlich mehr in die Absicherung der sicherheitsrelevanten Infrastruktur investieren. Dies betreffen die Versorgungseinrichtungen ebenso, wie die IT.

Zudem müssen wir rasch weitere Unterbringungsmöglichkeiten für die große Zahl von Geflüchteten schaffen. Die Belegung von Sporthallen muss mit allen Mitteln verhindert werden und ist lediglich die letzte Option. In finanzieller und verwaltungsorganisatorischer Sicht ergeht auch hieraus eine Mammutaufgabe.

Die steigenden Energiepreise und Materialkostensteigerungen lassen die Unterhaltungs- und Projektkosten durch die Decke schnellen. Deshalb ist es in der Zukunft noch wichtiger unsere Bauprojekte ganz sorgfältig auf Optimierungspotentiale und möglichen Reduzierungen bei Standards zu untersuchen.

Die historisch hohe Inflation lässt die Personalkosten sprunghaft ansteigen, auf die wir lediglich mit Optimierung von Verwaltungsabläufen und konzeptionellem Arbeiten reagieren können.

Die Auswirkungen des Klimawandels fordern Gegenreaktionen, die einen massiven aber dringend nötigen Investitionsbedarf mit sich bringen. Dies betreffen die energetische Sanierung und das klimaangepasste Bauen ebenso, wie den Ausbau von erneuerbaren Energien.

Der Rechtsanspruch auf die Ganztagesbetreuung in den Grundschulen ab dem Schuljahr 2026/2027 wird die Nachfrage nach einer solchen weiter erhöhen. Die Stadt muss darauf mit der Erweiterung ihres Angebots reagieren. In welcher Form muss gemeinsam mit den Schulen, Eltern und dem Gemeinderat erarbeitet werden.

Neben all diesen, eher fremdbestimmten Anforderungen, sehen wir uns mit dem dynamischen Wachstum unserer Stadt konfrontiert, was die Bereitstellung von weiterer bedarfsgerechter Infrastruktur auslöst.

Gerade in Bezug auf diesen Aspekt kommt dem auf den Weg gebrachtem Stadtentwicklungskonzept eine ganz entscheidende Rolle zu. Die Ergebnisse des Stadtentwicklungskonzeptes werden uns aufzeigen in welche Infrastruktur wir in den zukünftigen Jahren investieren müssen. Dazu gehören Kitas, Schulen, Hort, Mensen, Sportanlagen, Straßen, Pflege sowie die ärztliche Versorgung gleichermaßen.

Die Verwaltungsspitze, der Gemeinderat und die Bürger müssen zusammen auf Basis von Fakten und Ergebnissen erarbeiten, wohin sich die Stadt entwickeln soll und in welcher Geschwindigkeit. Perspektiven gibt es genügende.

Wir müssen festlegen worauf wir den Fokus legen möchten und aber auch, worauf wir den Fokus legen müssen.

Das wird einer der zentralen Richtungsweise für die Zukunft.

Der Haushaltsplan kann aktuell nicht mehr sein, als eine Momentaufnahme. Und dennoch zeigt er uns einen Trend auf, auf den wir kommunal- und finanzpolitisch reagieren müssen.

Hier gibt es ganz unterschiedliche Ansätze.

Zu allererst müssen wir auch weiterhin eine ungeschönte Aufgabenkritik üben, all unserer Tätigkeitsfelder regelmäßig auf Optimierungspotentiale überprüfen, Projekte klar priorisieren und zeitlich einordnen sowie die Verwaltung dementsprechend strategisch ausrichten. Zudem müssen wir unsere Standards noch einmal hinterfragen und uns ganz konsequent das Ziel setzen, kostengünstiger zu bauen.

Des Weiteren geht es um finanzpolitische Maßnahmen die mit dem Gemeinderat in einer Klausur bereits diskutiert wurden und zielgerichtet weiterverfolgt werden müssen. So sollte der Abwasserbereich, aus dem städtischen Haushalt in eine Eigenbetriebsstruktur ausgegliedert werden. Und auch die Ausgliederung der Wohnimmobilienverwaltung ist ein elementar wichtiger Schritt zur Entlastung und sorgt für eine höhere Kostentransparenz.

Daneben müssen wir noch einmal die Wirtschaftlichkeit des Freizeitbades und der Stadthalle in den Blick nehmen. Auch hierfür gibt es bereits gute Ansätze die weiterverfolgt werden müssen.

All diese Maßnahmen werden jedoch nicht reichen das strukturelle Defizit der Stadt nachhaltig in den Griff zu bekommen.

Die Stadt benötigt höhere Einnahmen.

Eine Anhebung der Steuern und Gebühren ist dabei keine Option. Die Wirtschaft befindet sich in der Rezession und auch den Bürgern ist in der derzeitigen Situation, mit einer historisch hohen Inflation, nicht noch mehr zuzumuten.

Die einzige Möglichkeit erkenne ich in der Ansiedlung neuer, leistungsstarker Gewerbebetriebe.

Die in Auftrag gegebene Gewerbeflächenpotentialanalyse weist dem Regionalen Gewerbeschwerpunkt und der Erweiterung Nördlich Kornwestheimer Straße die höchste Priorität zu. Die Voraussetzungen für die Ansiedlung von Gewerbe in Korntal-Münchingen sind auf Grund seiner Lagegunst optimal. Die Region Stuttgart ist ein höchst attraktiver Wirtschaftsstandort und auch einer der innovativsten und erfolgreichsten im Europäischen Vergleich.  Korntal-Münchingen  sollte als Teil des Standortes auch an dessen wirtschaftlichen Erfolg partizipieren.

Neben der Ausweisung von neuen Gewerbeflächen kommt aber auch der Wirtschaftsförderung eine ganz maßgebliche Rolle bei Stärkung unseres Wirtschaftsstandorts und der Stabilisierung unserer Finanzkraft zu. Im Bestand schlummert noch Potential, welches über eine gute Netzwerkarbeit, Beharrlichkeit, Ausdauer und über innovative Ansätze sowie Neuordnungen gehoben werden kann und gehoben werden sollte.

Wie bereits erwähnt ist die Finanzlage der Stadt zu großen Teilen das Spiegelbild äußerer, uns vorgegebener Rahmenbedingungen. Es gibt Einflussfaktoren die wir nicht selbst in der Hand haben.

Dennoch ist es unsere Aufgabe rechtzeitig gegenzusteuern und die Lage über kluge und effektive Ansätze in den Griff zu bekommen. Denn über Sparmaßnahmen und Reduzierungen alleine werden wir keinen nachhaltigen Erfolg erzielen. Und ich bin überzeugt, dass es ein Fehler wäre, wie ich es bereits in meiner allerersten Haushaltsrede umschrieben habe, unsere gemeinschaftsstärkenden Vereins-, Kultur und Freizeitstrukturen so sehr zu beschneiden, dass nicht mehr als der schiere Verwaltungsapparat einer Stadt übrigbleibt.

Das Freizeitbad, die Stadthalle, die Büchereien, unser Heimatmuseum, unsere Sport- und Kulturstätten, Jugendhäuser, Bürgertreffs, die Musik- und Volkshochschule und unsere Vereine. Alles Dinge, in die wir freiwillig, ohne staatlichen Auftrag investieren, ohne die es aber nicht geht, ohne die wir nicht leben wollen und unter deren Verzicht unsere Gesellschaft unendlich leiden würde.

Umso wichtiger ist es, dass wir uns alle, diese Tatsache bewusst machen, alle anderen Potentiale zur Stabilisierung heben und wir die Kompromisse, die mit einer Gegenfinanzierung unserer wertvollen, Infrastruktur einhergeht, ebenfalls gemeinsam tragen.

Letztlich sind genau diese Freiwilligkeitsleistungen die Säulen unserer Gesellschaft und unseres Gemeinwesens und unserer Lebensqualität in der Stadt. Wenn wir uns diese nicht erhalten, was bliebe dann noch? Bescheide, Bußgelder und Verwaltungsakte. Das ist natürlich zynisch zu verstehen.  Aber dennoch, ohne diese Angebote in unserer Stadt sähen wir beim Blick in den Spiegel doch sehr traurig aus.

Zum Schluss möchte ich mich noch ganz herzlich bei dem Team der Finanzverwaltung bedanken. Ganz besonders bei unserer Kämmerin Frau Nolde und ihrem treuen Helfer Herrn Schönfelder. Die heutige Einbringung des Haushaltsplanes ist dem hohen Einsatz, dem Geschick und der Bereitschaft zur Leistung von vielen Überstunden der beiden geschuldet. Ich möchte mich persönlich und im Namen der Stadt ganz herzlich dafür beim Kämmereiteam bedanken.

Bei Ihnen liebe Gemeinderätinnen und Gemeinderäte möchte ich mich für die sehr konstruktive und lebendige Zusammenarbeit in den Sitzungen und die wieder sehr gewinnbringende Haushaltsklausur bedanken.

Ihr Alexander Noak

Erster Beigeordneter der Stadt Korntal-Münchingen

Vielen Dank.