Nachricht

„I sag’s niemand – bloß Euch im Backhaus!“


„Der Heimatverein ist modern, indem er traditionelle, historische Themen präsentiert und erlebbar macht“, hält Vereinsmitglied Ewald Gaukel fest. An diesem Donnerstag, 28. Juli 2022, brennt schon das Feuer im Ofen. Der Geruch von Zwiebelkuchen liegt in der Luft. Draußen vor dem Backhaus stehen Münchinger und halten ein Schwätzchen – nicht über die neusten Dorf-Geschichten, sondern über das Brot. Denn jede und jeder von ihnen hat einen Teil zu dem Brot-Heftchen beigetragen: Geschichtliche Hintergründe, Rezepte, zahlreiche farbige Abbildungen, Fotos und natürlich auch Anekdoten rund ums Backhäusle.

 Heimatverein Münchingen gibt m Rahmen der Broschüren-Reihe „Münchinger Geschichte(n) einst – jetzt“ eine neue Ausgabe mit dem Titel  „Brot backen“ heraus

Der Holzofen hat keinen Elektroschalter

Warum gibt überhaupt ein Backhaus in Münchingen? „Wenn die Menschen in ihren eigenen Backöfen Brot backten, kam es häufig zu schlimmen Hausbränden“, erzählt Stadtarchivar Alexander Brunotte. Deshalb erließ die Württembergische Feuerschutzbehörde im Jahr 1808 die Verordnung: zur Errichtung von Backhäusern. In Münchingen wurden zwischen dem Jahr 1844 und dem Jahr 1864 drei Backhäuser errichtet. Nur eines davon ist noch erhalten in der Hinteren Gasse und in voller Funktion. „Wer will und sich beim Nachbarn anmeldet, kann hier backen“, sagt die Münchinger Backhausfrau Marianne Hess.  Leichter gesagt als getan, denn Holz hat keinen Elektro-Schalter. „Die richtige Temperatur zu finden, ist eine Fertigkeit“, weiß die 82-Jährige, die schon als Kind die Erwachsenen zum Brotbacken begleitete, wenn in Münchingen Brot-Backtag war.

Die Münchinger Backfrau Marianne Hess weiß, welche Temperatur der Zwiebelkuchen im Backhaus Münchingen braucht

Das Backhaus als Kommunikations-Zentrum im Ort

„I back erst“, hieß es dann – übersetzt: „Ich habe die erste Backzeit zwischen 6 und 9 Uhr gebucht“. Insgesamt gab es für die Familien fünf Backzeiten am Back-Tag, die sie buchen könnten. War der Ofen angeheizt, der Teig zubereitet, die Laibe geformt, dann war eine Stunde Wartezeit – Zeit, die gut genutzt wurde. „Hast au scho g’hört…?“ Nicht nur Rezepte wurden da ausgetauscht, sondern auch Tratsch und Klatsch – nachzulesen im Heftchen „Brot backen“ auf Seite 22 - nach dem Motto:  „I sag’s niemand – bloß Euch im Backhaus!“ So eine Stimmung wie damals  gibt’s auch heute noch zum Beispiel beim jährlichen Backhausfest des DRK Münchingen im Juli beim Zwiebelkuchen essen. „Der Geheimtipp des Backhaus-Heizers sind die Brezeln“, beschreibt der DRK auf Seite 36 das Fest. „Wenn die Zwiebelmasse aufgebraucht ist, entsteht vom restlichen Teig noch leckere Brezeln.“

In Münchingen gibt es einige regionale Bäckereien

Die neue Broschüre des Heimatvereins Münchingen widmet sich dem Brot backen.

Dass die Münchinger wissen, wie das Handwerk „Brot backen“ funktioniert, zeigt sich auch an den lokalen Bäckereien, von denen eine 22 Filialen im ganzen Landkreis beliefert. Der alteingesessenen, aber seit einigen Jahren nur mehr „historischen“ Bäckerei Bässler widmet sich das Heft genauso wie der Bäckerei, Konditorei Trölsch. Und warum eine Hebamme daran „schuld“ ist, dass in der „Oelmühle Münchingen“  Vollkornbrot gebacken wird, erfahren die Leser auf Seite 30.

Die wichtigste Rezept-Zutat: Zeit

Wer jetzt einen Hefezopf, ein Bauernbrot oder einen Zwiebelkuchen nach Münchinger Rezept backen will, darf eine Zutat nicht vergessen: Zeit. Für Dr. Sabine Rathgeb, die Leiterin des Heimatmuseum Münchingen,  ist das noch lange kein Grund zum abgepackten Toastbrot zu greifen: „Hinter jedem Selbstgebackenen steckt viel Arbeit und Liebe. Unser Heft „Brot backen“ soll auch die Wertigkeit von  Grundlebensmitteln wie Mehl, Salz und Hefe hervorheben.“

Die Broschüre „Brot backen“ ist beim Heimatverein Münchingen e.V. für 4 Euro erhältlich und wird im Heimatmuseum Münchingen während der Öffnungszeiten verkauft.