Felderrundfahrt über die Gemarkung von Korntal und Münchingen
Halt, da steigt noch einer ein: Bundestagsabgeordneter Steffen Bilger klettert hurtig auf die Leiter und quetscht sich auf das Holzbänkchen im Wagen von Bürgermeister Dr. Joachim Wolf und den anderen Vertretern der Stadtverwaltung. Den circa 100 Teilnehmern steht eine dreistündige Rundfahrt über die Gemarkung von Korntal und Münchingen bevor – angereichert mit Informationen über Flora, Fauna und die Herausforderungen der Landwirtschaft.
Am Mais kann sich so mancher ein Beispiel nehmen. Er meckert nicht, er jammert nicht – er mag alles so, wie es ist. „Der Mais ist sehr genügsam“, erklärt Anja Brugger vom Fachbereich Landwirtschaft/Ackerbau im Landratsamt Ludwigsburg. „Hitze kann ihm nichts anhaben und die zwei Hauptschädlinge vom Mais haben wir sehr gut im Griff.“ Warum diese einfache Pflanzenart nicht einfach noch mehr angebaut wird? „Die Variation in der Fruchtfolge ist wichtig, wegen der Schädlingsbekämpfung“, lautet die Antwort.
An jeder Station der Felderrundfahrt können die Fahrtinsassen den Erklärungen von Fachleuten lauschen – immer mit dem Blick auf die schöne Landschaft von Korntal-Münchingen. Hoch auf dem Wagen sitzt auch Helmut Schmälzle. Als Mitglied im OGV Korntal ist er immer startklar, wenn der Bauernverband einlädt. Dies war – wegen Corona – jetzt zwei Jahre lang nicht der Fall. Umso mehr ist der Korntaler gespannt, wie die Frucht vom Weizen auf dem Feld steht. „Gibt’s ein Unwetter, liegt alles flach.“
Das Weizenfeld steht schön in diesem Jahr
Im Gegensatz zu dem „VIP-Wagen“ mit den Vertretern der Stadtverwaltung haben er und seine Sitznachbarn – Landwirte, Agrarfachleute, BUND-Mitglieder und Gemeinderäte – Glück: Sie sitzen gemütlich auf Strohballen und nicht wie die anderen auf harten Holzbänken, während Anja Brugger fachkundig die Felder erläutert: „Dem Weizen geht es gut – das Feld steht schön.“ Weizen ist die Königin des Ackerbaus. Doch so eine Königin, die lässt sich nicht einfach so „aus dem Ärmel schütteln“ – auch wenn der Nahrungsmittel-Druck auf die Landwirte groß ist. „Wir brauchen Vorlauf: Wenn wir mehr Weizen anbauen wegen der Folgen des Krieges in der Ukraine, dann schaffen wir das erst im nächsten Jahr.“
Für Landwirte gibt es immer ein offenes Ohr im Rathaus
Das Wort „Druck“ fällt häufig bei den Rednern auf den Schleppern. Friedrich Siegle, 1. Vorsitzender des Bauern-Ortsverbandes Münchingen, listet auf: „Baumaßnahmen, Nahrungsproduktion, steigende Kosten, Naturschutz, gesetzliche Vorgaben und, last but not least, der Druck der Gesellschaft – jeder will was von den Landwirten. Aber wir müssen auch unser Geld verdienen.“ Umso dankbarer ist er, dass es für die Landwirtschaft in Korntal-Münchingen in der Stadtverwaltung immer ein offenes Ohr gibt.
Die Bauarbeiter von Korntal-West freuen sich über den Traktor-Zug
„Jetzt wird’s spannend“, ruft Helmut Schmälzle. „Wir fahren durch Korntal-West – das interessiert mich.“ Mitten durch die Baustellen geht die Tour – einige Bauarbeiter winken dem lustigen Traktorenzug zu. „Wir sind bewusst durch Korntal-West gefahren, denn die zunehmende Bebauung von Ackerflächen ist ein Thema, das uns beschäftigt“, sagt Andreas Abrell, der Leiter des Schulbauernhofs und 1. Vorsitzender im Orts-Bauernverband Korntal. Zum Beispiel sei die Zufahrt der Bau-LKWs zu dem Neubaugebiet Korntal-West ein Thema gewesen, das nun durch die Befestigung der Wege entlang der Gschnaidtwiesen vorerst gelöst ist. „Hier muss bald nachgebessert werden“, hält Andreas Abrell fest. Da meldet sich Wolf Ohl, Vertreter des Ortsgruppe BUND Korntal-Münchingen, zu Wort: „Jetzt gibt es mal eine Anerkennung von den Naturschützern für die Stadt: Das kleine Biotop ist wunderbar angewachsen.“ Im Stadtverwaltungs-Schlepper freut man sich über das Lob. Dabei sei das Feuchtbiotop nur ein kleiner Teil von weiteren, umfangreichen Ausgleichsmaßnahmen für das Baugebiet Korntal-West.
Das Zusammenleben von Landwirtschaft und Freizeitgesellschaft ist schwierig
An der Haltestelle „Gymnasium“ grüßt im Hintergrund die Strohgäu-Bahn im Vorbeifahren die Felder-Erkundungstruppe – links und rechts des Wagens begeistern die schönen Blumen der Blühstreifen. „Die drei Meter breiten Blühstreifen können wir gut mit unseren Maschinen pflegen“, sagt Claus Hönes. Über die schönen Blumen und Bienen freuen sich alle. Doch wehe, er steht mit seinem breiten Traktor einem Radfahrer oder Fußgänger im Weg.
„Das Zusammenleben von Landwirtschaft und Bevölkerung ist schwierig“, bedauert auch Friedrich Siegle. Viele wollen raus aus der Stadt – aber dann möchte man auf dem Land auch bitte nicht gestört werden. Bei ihrer Arbeit sind die Landwirte täglich dem Konflikt mit den „Freizeitlern“ ausgesetzt. „Die Landwirte sollen mehr Nahrung produzieren – aber wenn sie abends um 22 Uhr ernten, wird die Polizei geholt wegen Ruhestörung.“
Landwirtschaft als Hobby
Der Münchinger Klaus Hönes gehört mit seinem Sohn zu den circa 70 Prozent der Landwirte, die den Beruf im Zu- und Nebenerwerb ausüben, weil sie allein von der Landwirtschaft nicht leben können. „Die gesetzlichen Vorschriften machen uns Bauern das Leben schwer“, findet er. Vorschriften wären ja seiner Sicht nach in Ordnung – wenn nicht im Supermarkt der knallrote Apfel von Übersee die Verbraucher locken würde. „Wir haben das Problem, dass unsere Produkte in Konkurrenz zum Welthandel stehen.“
Feldwege als „Partyzeile für Hunde“
Die Runde setzt sich weiter in Bewegung. Ein letzter Stopp wird vor dem Langen Feld eingelegt mit Blick auf die Zuckerrüben-Felder. „Landwirte sind bei der Zuckerrübe immer mit Monitoring gefordert. Ohne Pflanzenschutz hätten wir einen Ertrag von 10 Prozent Zuckerrüben und der Rest Unkraut. Irgendwo muss ja unser Zucker herkommen.“ „Genau, Zucker braucht man,“ pflichtet ein Mitfahrer bei. Auch dass die Landwirte sich auf eine gute Ernte einstellen bei der Wintergerste, wird bei den Zuhörern wohlwollend zur Kenntnis genommen. „Unser Bier ist gesichert.“ Nicht so wohlwollend geht Johannes Völlm vom NABU Korntal-Münchingen mit Autofahrern und Hundehaltern um, die die geschützte Rebhuhnbrut auf den Naturwegen rücksichtslos aufscheuchen. „Die Rebhuhn-Wege werden zur Partyzeile für Hunde“, kritisiert er. Und an die Landwirte hat er auch noch eine große Bitte: „Lasst ruhig mal was stehen.“
Fair geht vor
Nach gut drei Stunden Fahrt endet die Felderrundfahrt wieder dort, wo sie begonnen hat: In der Reithalle des Reit- und Fahrvereins Münchingen. Alle sind gut angekommen – auch der VIP-Schlepperwagen hat alle Führungskräfte sicher abgeladen. „Das Rathaus kann also weiter arbeiten“, stellt Friedrich Siegle bei Grillwurst und Kühlgetränk zufrieden fest. Auch wenn der ein oder andere froh ist, statt der harten Holzbank die luxuriösen Bierbänke unter sich zu haben, hallen die Worte und Botschaften der Landwirte in den Köpfen der Gäste. Abschließend ergreift Bürgermeister Dr. Joachim Wolf noch einmal das Wort: „Ich freue mich über den sehr fairen Umgang der Landwirte mit der Stadtverwaltung. Da bin ich sehr dankbar – das ist nicht selbstverständlich.“